Dies ist Teil 3, und damit der letzte Teil, meiner Analyse dieser "Armes-Deutschland"-Folge, einem Format von RTL II.
https://www.youtube.com/watch?v=Ep1pagAJMz0
Teil 2 ist hier zu finden.
https://blog.oi7.de/~/RuheUndOrdnung/let's-watch-together-2
Wir sind weiterhin bei Irinas Familie. Irina wird in ihrem Alltag dargestellt. Sie wird dabei begeleitet wie sie bereits um 3:00 Uhr aufstehen muss, um zur Arbeit zu gehen. Sie stellt Zeitungen zu.Empathisch betont die Erzählinstanz des Weiteren wie hart Irinas Arbeit als Zustellerin ist und dass sie danach als Alleinerziehende Verantwortung für Haushalt und Kinder hat. Bemerkenswert deutlich ordnet die Erzählstimme dies ein als:
"Doch auf Kosten anderer zu leben, kommt für Irina nicht in Frage."
Passend dazu sagt Irina, dass sie kein Verständnis für Hartz4-Betroffene habe und dass man* arbeiten könne, auch wenn man* Kinder habe. So wie die Sendung zwischen den Familien hin- und herwechselt, und sie somit gegeneinander schneidet, muss das Publikum nahezu zwangsläufig all dies als Seitenhiebe auf Jessica und Markus verstehen. Anschließend gibt es eine grafisch aufbereitete Auflistung von Irinas Einkünften und Ausgaben. Am Anfang der Folge hatte Marcus gesagt, dass seine Familie „954 Euro zum Leben“ habe. Bei Irina wird nun minutiös vorgerechnet, dass sie „unterm Strich“, also nach Abzug aller Fix-Kosten, nur 485 zur Verfügung hat. Es wird so zu einem direkten Vergleich beider Familien, wobei suggeriert wird, dass es Marcus und Jessica mit Hartz4 „besser“ ginge. Dies ist irreführend. Bei Irina werden Sachen wie „Kredit“, „Handy“ und „sonstiges“ abgezogen. Für Jessica und Marcus gibt es eine solche Auflistung nicht, sodass völlig unklar ist, was bei ihnen an Kosten schon abgezogen ist oder nicht. Kosten in Höhe von 70 Euro rund ums Handy oder Kredite werden schließlich auch nicht von Hartz4 übernommen. Irina hat sogar noch einen zweiten Job. Sie stellt Post zu. Irinas Kinder müssen daher selbstständig zur Schule gehen. Die Sprechstimme aus dem Off lobt die beiden für ihre Selbstständigkeit und Bescheidenheit. Die Kinder selbst sagen noch einmal in die Kamera, dass es selbstverständlich für sie sei, dass Eltern arbeiten gehen, und wie stolz sie auf ihre Mutter seien. Die Erzählinstanz bekräftigt dies:
„Irina kann ihren Kindern vielleicht nicht alles kaufen, dafür gibt sie ihnen aber wichtige Werte mit auf den Weg.
Nun gibt es einen Schnitt und wir sind zurück bei Jessica und Marcus. Hier wird ohne jeden Kontext betont, dass beide Kinder ein eigenes Zimmer haben, und dass Hartz4-Betroffene Beihilfen zur Baby-Erstausstattung beantragen können. Die Sprechstimme aber suggeriert, dass Jessica und Marcus diese Zahlung zu Unrecht bekommen hätten und dass sie betrügen würden. Es wird wortwörtlich gesagt:
„Der 22-Jährige greift gern zu, nur nicht wenn es um einen Job geht“.
Diese Erzählmuster wecken beim Publikum ein Gefühl von Ablehnung bis hin zu Wut, da es sich durch die Suggerieringen und das Framing nahezu selbst betrogen Fühlt. Marcus und Jessica würden sich mehr holen als ihnen zustünde. Vor Allem MArcus wird als faul, dreist und nun im Fogenden auch noch als "kriminell" geframed, indem erwähnt wird, dass es vorbestraft ist und Sozialstunden leistet. Er würde also Momentan arbeiten aber nur "gezwungener Maßen", lässt uns die Erzählstimme wissen. Süffisant wird kommentiert:
"Man* sieht durchaus, dass Marcus arbeiten kann, wenn er muss".
Hier wird beim Publikum das Stereotyp des Hartz4-Betroffenen der nicht arbeiten will, aktiviert. Nun wechseln wir abermals zu Irinas Familie. Es wird gezeigt, dass die Kinder nach der Schule Haushaltsaufgaben übernehmen müssen.Die Tochter drückt aus, dass sie es unfair findet, wie wenig ihre Mutter mit der harten Arbeit verdient. Das ist natürlich richtig. So wie die Sendung aufgebaut ist aber, ist der Schluss zu dem das Publikum geleitet wird aber nicht, dass der Mindestlohn lächerlich niedrig ist oder wie krass es ist mit 2 Jobs so finanziell kämpfen zu müssen, sondern dass es ungerecht wäre, dass Leute Hartz4 bekämen.
Das Fazit meiner Analyse ist daher folgendes. Durch die Erzähltechniken der Sendung wird ein Nährboden für Neid und Missgunst wird geschaffen. Missgunst und Neid aber gerichtet nach "unten" und nicht nach "oben". Es werden zwei Familien diametral gegeneinander erzählt. Eine Familie wird klar als "gute Arme" geframed und die andere als "böse Arme". Beide werden erzählerisch gegeneinander ausgespielt und das Publikum dahingehend manipuliert, Jessica und Marcus abzulehnen, in Irina aber ein positives Beispiel armer, viel arbeitender Leute zu sehen. Hier werden nicht nur Stereotype aufrechterhalten und verfestigt, die zu Hass führen. Hier wird auch eine Leistungs-Ideologie in Form von Narration perpetuiert, die sagt, dass lohnarbeiten "um jeden Preis" wichtig und richtig ist.
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